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„Was fehlt? Das Bewusstsein und der Mut zur angstfreien Kommunikation.“

Lassen Sie uns über Kommunikation sprechen: Schon alleine darin liegt eine gewisse Ironie. Warum haben wir Menschen oftmals so große Probleme, uns wirklich zu verstehen?

Weil Kommunikation einfach anstrengend ist. Und der Mensch strengt sich per se nicht so gerne an – sonst hätte er ja auch den Geschirrspüler nicht erfunden.

Was macht Kommunikation denn so anstrengend?

Simpel ausgedrückt: Dass andere Menschen nie so funktionieren, so wie man es vielleicht gerne hätte. Denn jeder Mensch ist individuell und handelt zumeist immer ein bisschen anders als man selbst, doch das kann man leider nie ganz genau vorhersagen.

Vermutlich hat es jeder schon einmal erlebt, dass der Versuch einer Kommunikation gescheitert ist, im privaten wie auch im beruflichen Umfeld. Was ist Ihrer Meinung nach der häufigste Kommunikationsfehler in Unternehmen?

Der häufigste Kommunikationsfehler in Unternehmen besteht darin, dass der Sender weder darauf achtet, geschweige denn nachfragt und überprüft, ob seine Botschaft vom Empfänger auch richtig verstanden wurde. Dadurch werden Fehler provoziert. Denn wenn ein Mitarbeiter etwa die Anweisung seines Chefs falsch versteht, führt er diese logischerweise nicht so aus, wie der Chef sich das vielleicht vorgestellt hat. Die Führungskraft reagiert daraufhin häufig zornig. Das aber ist dann eigentlich noch ein größerer Fehler.

Dürfen Führungskräfte also nicht ärgerlich werden?

Doch, schon. Aber in diesem Beispiel hat der Chef selbst den Kommunikationsfehler begangen, indem er nicht kontrolliert hat, was sein Mitarbeiter verstanden hat. In Unternehmen – aber auch in Partnerschaften oder sogar Ehen – wird häufig verkannt, dass immer der Sender für das richtige Verstehen verantwortlich ist. Dass es die Verantwortung des Empfängers ist, ist schlicht falsch und hinlänglich psychologisch bewiesen.

Was lernen Piloten über Kommunikation, was Führungskräften helfen kann?

Sie lernen das unbefangene Zuhören. Piloten achten inzwischen auf alles, was die Besatzungsmitglieder sagen. Früher war das anders, doch seit Einführung von CRM hat sich das glücklicherweise geändert. Nach den Grundregeln des CRM wird jedes Besatzungsmitglied morgens beim Briefing dazu aufgefordert, Bedenken oder Kritik zu äußern – und zwar auch in Richtung des Kapitäns, trotz seiner höheren Hierarchieposition.

Also dann mal angenommen ich wäre eine Stewardess und hätte Zweifel, ob der Kapitän ausgeschlafen und fit ist, denn er ist blass und wirkt auf mich müde…

Die Stewardess wird ihre Bedenken etwa folgendermaßen äußern: "Ich habe das Gefühl, es geht Ihnen heute Morgen nicht gut. Kann ich etwas für sie tun?"

Und was passiert, wenn der Pilot dann antwortet: "Nein, es ist alles gut."?

Wenn es keine konkreten Anzeichen gibt, dass seine Aussage nicht stimmt, nimmt die Stewardess die Antwort des Kapitäns für bare Münze, denn laut CRM ist die Lüge in Cockpit und Kabine verboten. Aber die Beobachtung – oder die Bedenken – der Stewardess sind jetzt thematisiert worden und dadurch für die gesamte Crew sichtbar. Wenn jetzt ein Kapitän in dieser Situation lügt, dann hat er CRM nicht verstanden. Denn er kann ohne jede Konsequenz zugeben, dass er übermüdet ist. Wenn er verantwortungsbewusst handelt, sagt er zum Beispiel: "Ja, ich hatte keine besonders gute Nacht, aber wir müssen die Kiste jetzt nach Hause kriegen. Ich bitte euch daher, mich dabei bestmöglich zu unterstützen." Dann weiß der Co-Pilot sofort, dass er auf diesem Flug besonders gefordert ist. Noch einmal: Der Schlüssel ist die angstfreie Kommunikation trotz vorherrschender Hierarchien. Das Eingestehen einer Schwäche führt an Bord eines Flugzeugs nicht automatisch zu einer Demontage eines Vorgesetzten oder dem Verlust seiner Autorität. Eine solch offene Gesprächskultur findet man in Unternehmen jedoch so gut wie nie.

Warum können Besatzungen anscheinend besser kommunizieren als „Teams am Boden“?

Weil Flugzeugbesatzungen ihre Kommunikation trainieren. Es gibt außerdem besondere Anforderungen an die Piloten: Wenn Sie heute Pilot werden wollen, dann werden nicht nur Ihre Skills und Ihr Gesundheitszustand gründlich gecheckt, sondern auch, ob Sie von Ihrem Charakter her CRM-tauglich sind. 80 Prozent der Bewerber fallen aber genau hierbei durch.

Würden Sie daher an Wirtschaftsunternehmen appellieren, dass der Azubi dem Vorstandsvorsitzenden ruhig einmal zu verstehen gibt, dass der heute nicht besonders fit aussieht?

Das Beispiel ist ein wenig zu extrem, da Azubis normalerweise wenige Berührungspunkte mit Vorstandsvorsitzenden haben. Aber ein Mitarbeiter des Vorstandes wäre in einer ähnlichen Lage wie die Stewardess. Er könnte sagen: „Sie sehen ja heute irgendwie angeschlagen aus.“ Und der Vorsitzende könnte dann sagen: „Ja, stimmt. Bin ich auch.“ Ein solches Verhaltensmuster wünschte ich mir. Und ja, es ist ein schon ein Appell an die Kommunikationskultur in Unternehmen.

Ein Appell für flauschiges Wohlfühlen oder steckt da mehr hinter?

Selbstverständlich steckt hinter diesem Appell deutlich mehr als „nur“ der Versuch, eine Wohlfühlumgebung zu schaffen: Denn solche Feedbacks, verbunden mit gegenseitiger Absicherung, würden die Zahl der Fehler, die in einem Unternehmen passieren, erheblich minimieren. Das Problem ist jedoch, dass Flugzeugbesatzungen für diese Kommunikationsform geschult sind, während viele Führungskräfte und ihre Untergebenen „am Boden“ einfach nicht gelernt haben, mit offener und „angstbefreiter“ Kommunikation umzugehen. Chefs fühlen sich dann bedroht und fürchten, dass sie ihre Autorität verlieren könnten, während ihre Angestellten zumeist nicht den Mut aufbringen, ihren Chef oder auch nur Arbeitsabläufe innerhalb des Unternehmens zu kritisieren. Schließlich haben nicht wenige die oftmals bittere Erfahrung machen müssen, in solch einem Fall die berühmte „A-Karte“ gezeigt zu bekommen. Dem fehlenden Bewusstsein und dem Mut zur offenen Kommunikation geht darüber hinaus der häufige Irrglaube voraus, dass Menschen glauben, sie dürften keine Fehler machen. Das ist zum Beispiel unter Medizinern oft der Fall. Tatsächlich aber macht jeder Mensch irgendwann Fehler, ganz gleich, auf welcher Hierarchiestufe er steht und was für eine Ausbildung er besitzt. Das ist menschlich, aber genau das wurde uns nicht beigebracht. Schon in der Schule werden wir zu Einzelkämpfern erzogen, und unsere Fehler werden bestraft, zumeist mit schlechten Noten. Im wahren Leben kommen Einzelkämpfer aber nur selten oder gar nicht ans Ziel. Denn eine wirkliche und nicht zuletzt auch intelligente Fehlervermeidung erfolgt stets in einem Team, das immer leistungsfähiger agiert, als ein Einzelner.

In der Lehre des CRM gelten erstaunlich wenige Kommunikationsregeln: Sei klar, sei direkt, sei prägnant, sei verständlich und sprich vor allem rechtzeitig. Das klingt sehr einfach und jeder scheint zumindest theoretisch zu wissen, dass ein gutes Miteinander nur so gelingen kann. Dennoch scheitern die meisten immer wieder in der Praxis. Woran liegt das?

Übung ist das Zauberwort. Wenn Sie Fußballregeln auswendig lernen, heißt das ja noch lange nicht, dass Sie auch wirklich gut Fußball spielen können. Übung erhalten Sie nur durch eine möglichst realitätsnahe Kombination aus Erleben mit echten Emotionen; am besten übrigens, wenn Sie plötzlich in einem mehr oder weniger unbekannten Umfeld mit einer extremen Stresssituation konfrontiert werden. Und genau das ist hier im Cockpit – im Flugsimulator – der Fall. Solche Übungen funktionieren aber auch in Klettergärten oder während eines Überlebenstrainings; jedenfalls dann, wenn ein gewisses Regelwerk damit verknüpft wird. Rollenspiele eignen sich dagegen nach meiner Erfahrung nicht dafür, denn sie verkommen häufig zu Komödien. Die Stresssituation wird dann vom Gehirn nicht als „echt“ anerkannt. Dann wird im Seminar zwar viel gelacht, aber nicht wirklich gelernt, und das ist leider ein häufiger methodischer Fehler.

Als wie echt wird das Training im Simulator wahrgenommen?

Es wird durchweg als täuschend echt erlebt und empfunden. Die meisten Teilnehmer vergessen schon nach sehr kurzer Zeit, dass sie sich in einem Simulator befinden und fühlen echte Angst und wahren Stress, manchmal sogar ein wenig Übelkeit, doch letzteres zum Glück nur sehr selten. Aber dann erleben es die Teilnehmer staunend, dass ihr Trainer lediglich durch die konsequente Anwendung von einfachen Kommunikationsregeln in der Lage ist, sie zu beruhigen und bisher verborgenen Fähigkeiten aus ihnen hervorzukitzeln, mit denen sie niemals gerechnet haben. Darüber hinaus lernen Teilnehmer auch, sich gegenseitig die notwendige Ruhe zu geben. Das wirkt dann sehr nachhaltig.

Wie viel Spaß macht das Training?

Ich glaube schon, dass mein CRM-Training Spaß macht, wenngleich es nicht allein der Spaß ist, der im Vordergrund stehen sollte. Am Ende geht es immer um einen effizienten Lernerfolg, verbunden mit Freude und starken Emotionen. Es ist übrigens psychologisch bewiesen, dass diese Form des Lernens die erfolgreichste ist.

Was war bislang das bemerkenswerteste Feedback?

Ich habe es schon ein paar Mal erlebt, dass Vorstandsmitglieder von milliardenschweren Konzernen – Menschen, die alles erlebt haben und sich auch alles kaufen können – nach dem CRM-Training sagten: "Das war der beste und erfolgreichste Trainingstag meines beruflichen Lebens." Hierzu muss man wissen: Führungskräfte werden auf Wissen getrimmt. Im Flugsimulator nützt ihnen das jedoch nur wenig. Denn hier müssen sie Aufgaben meistern, von denen sie zunächst annehmen, dass sie keine Chance haben. Doch Führungskräfte lieben andererseits die Herausforderung. Da blühen sie richtiggehend auf – besonders dann, wenn es ihnen gelingt, die sehr authentischen Problemstellungen zu lösen. Das hebt sie zusätzlich auf ein neues, höheres Level.

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