Digitale Zwillinge sind möglichst detailgetreue virtuelle Abbildungen der Realität. Im Bereich der Citylogistik werden dafür unter anderem Daten zum Verkehrsnetz, dem Verkehrsaufkommen, der Luftqualität und Vorhersagen zum Bestellaufkommen in Abhängigkeit von Haushaltsgröße sowie auch reale Lieferketten mitsamt den dazugehörigen Prozessen, Ressourcen und Kapazitäten gemeinsam betrachtet. Im KI-Innovationsprojekt Bauhaus.MobilityLab arbeitet Siemens Digital Logistics zusammen mit dem Fraunhofer ITWM, der Technischen Universität Kaiserslautern und der Bauhaus-Universität Weimar am Aufbau des digitalen Zwillings Citylogistik Erfurt. Anhand des digitalen Zwillings können verschiedene Veränderungen im urbanen Logistiksystem im Voraus simuliert und ihre Wirkung auf den Gesamtprozess bewertet werden. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Fragen zu geeigneten Standorten von Mikro-Hubs und Paketstationen oder auch zu den Auswirkungen verkehrsberuhigter Quartiere und Lastenradzustellungen auf Faktoren wie Kosten, Servicequalität und Emissionen von Logistikdienstleistungen besser beantworten.
„Ein großer Mehrwert der digitalen Zwillinge als Simulationsmodelle ergibt sich aus der parallelen Betrachtung der Sicht verschiedener Akteure sowie Stellgrößen entlang der Lieferkette. Parameter wie Zustellkosten und -zeiten können im Zusammenhang mit Treibhausgasemissionen, Personalbedarf und Verkehrsaufkommen gemeinsam analysiert werden“, erklärt Uwe Wuttke, Head of Consulting bei Siemens Digital Logistics. Die typische europäische Großstadt Erfurt dient hierbei als Datengrundlage für den digitalen Zwilling sowie als KI-Reallabor für die Entwicklung und Erprobung von Logistikinnovationen. Die hier experimentell erprobten Produkte und Dienstleistungen können durch den Einsatz des digitalen Zwillings mit geringen Aufwänden auch auf andere Städte übertragen werden. „Im nächsten Schritt suchen wir weitere Partner aus der Logistikwirtschaft, um deren Daten im digitalen Zwilling abzubilden und zukunftsfähige Konzepte sowohl in der Simulation als auch in der Realität zu erproben“, ergänzt Prof. Dr.-Ing. Uwe Plank-Wiedenbeck von der Bauhaus-Universität Weimar. Die Vorstellung des digitalen Zwillings für Citylogistikanwendungen ist ein entscheidender Schritt für das im Aufbau befindliche Bauhaus.MobilityLab, das ab 2023 in den
Regelbetrieb als urbanes KI-Reallabor übergehen wird.
Bei der FUNKE Logistik GmbH in Thüringen wird die Zustellung von Printprodukten auf der letzten Meile zunehmend mit Paketauslieferungen kombiniert. Zum Einsatz kommen dafür längst auch E-Bikes und E-Fahrzeuge. In seinem Vortrag wies Robert Münnich, Leiter Postzustellung des Unternehmens, darauf hin, dass diese neuen Mobilitätslösungen noch großes Potential bergen: „In Pilotprojekten testen wir gerade verschiedene Cargo-Bikes und würden künftig gern noch mehr davon auf die Straße bringen. Diese benötigen aber eine dafür geeignete Rad-Infrastruktur. Gleiches gilt für unsere E-Flotte. Auch hier braucht es noch bessere infrastrukturelle Voraussetzungen, um Fahrzeuge nicht nur im Depot sondern auch unterwegs schnell laden zu können.“ Daher seien Gespräche mit verschiedenen Akteuren, wie hier in Erfurt, so wichtig und der digitale Zwilling ein hochinteressantes Instrument, um diese Entwicklungen voranzutreiben.
„Die Anforderungen an die Logistik für urbane Räume werden immer komplexer. Um Zustellungen nachhaltiger zu organisieren, ohne die hohe Servicequalität zu beeinträchtigen, gewinnen alternative Antriebs- sowie Infrastrukturkonzepte zunehmend an Bedeutung. Für deren effiziente Umsetzung ist eine vorherige Simulation unter Berücksichtigung der relevanten Daten von großem Wert. Das Interesse der Unternehmen in Thüringen und darüber hinaus ist sehr groß“, sagt Joachim Werner, Vorstandsvorsitzender im Logistik Netzwerk Thüringen. Die Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft ist ein wichtiges Anliegen des Netzwerks. Die Bauhaus-Universität Weimar zählt seit 2019 zum Mitgliederkreis. Seit 2021 ist zudem die Geschäftsstelle an der dortigen Professur Verkehrssystemplanung unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck angesiedelt, damit die Verzahnung zwischen Universität und Netzwerk weiter gestärkt wird.
Bauhaus.MobilityLab
Umwelt- und gemeinwohlorientierte Mobilität, intelligente Verkehrssteuerung für bessere Luftqualität, optimierte Citylogistik und adaptive Energienetze – die Digitalisierung aller Lebensbereiche bietet außerordentliche Chancen für die Stadt der Zukunft. Das Bauhaus.MobilityLab adressiert diese Fragestellungen getreu des Bauhaus-Mottos ‘Innovation durch Experiment’. Durch den Aufbau einer digitalen Laborplattform, auf der KI-Technologien mit Daten kombiniert werden, Unternehmen und Kommunen kooperieren und Forscher:innen auf Nutzer:innen treffen, können im Bauhaus.MobilityLab nachhaltige Innovationen entwickelt werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Innovationswettbewerbs “Künstliche Intelligenz als Treiber volkswirtschaftlich relevanter Ökosysteme” bis 2023 gefördert.
Das Logistik Netzwerk Thüringen e.V. ist eine im Jahr 2008 gegründete Kooperationsgemeinschaft von Spezialisten aus allen Zweigen der Branche. Neben Speditionen, Verladern und Kontraktlogistikern vereint das Netzwerk Unternehmen aus den Bereichen Kombinierter Ladungsverkehr, IT und E-Commerce, Forschung und Entwicklung, Aus- und Weiterbildung sowie logistiknaher Dienstleistungen, Verbände und öffentlicher Verwaltung.
Ziel des Vereins ist die Stärkung des Standorts Thüringen als europäische Distributionsdrehscheibe sowie die Etablierung zum zentralen Logistik-Standort für E-Commerce in Deutschland. Um dieses zu erreichen, entwickelt das Netzwerk mit und für die Mitglieder zukunftsfähige, nachhaltige und bedarfsorientierte Lösungen für die Logistikbranche.
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