IWS-Präsidiumsmitglied und Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft Kiel, Prof. Dr. Stefan Kooths äußerte sich ebenfalls bereits zu dem Deal: „Der sogenannte EU-Wiederaufbauplan ist in erster Linie das Eingeständnis, dass wichtige Mitgliedsländer den uneingeschränkten Zugang zum freien Kapitalmarkt verloren haben. Das zeigt sich auch daran, dass die Ratings für Staatsanleihen nur noch Bestand haben, weil das Eurosystem mit immer neuen Anleihekaufprogrammen massive monetäre Staatsfinanzierung betreibt.
Darüber hinaus ist unklar, welchen stabilisierungspolitischen Mehrwert das Agieren auf EU-Ebene haben kann. Ein Koordinationsbedarf – die Kernkompetenz für die EU-Ebene – hinsichtlich dessen, was jetzt wirtschaftspolitisch zu tun ist, besteht jedenfalls nicht in dem Maße, dass dafür 750 Milliarden Euro bewegt werden müssten. Stattdessen sollte es jetzt darum gehen, protektionistischen Tendenzen zu begegnen – das wäre eine prominente Rolle für die EU-Kommission. Stattdessen werden immer mehr Stimmen laut, die offen für eine neue Industriepolitik eintreten und unter dem neumodischen Begriff der „ökonomischen Souveränität“ alte merkantilistische Rezepte auf Wiedervorlage setzen.
Die Gefahr ist groß, dass die bereits in einigen Mitgliedsländern ausgereizte Verschuldungspolitik nun auf EU-Ebene fortgeführt wird und damit eine Etage höher in die nächste Runde geht. Im Zuge der nun geplanten Maßnahmen wird das Verschuldungsverbot für die EU erkennbar aufgeweicht. Erneut werden Regeln, auf die man sich einst verständigt hat, ad hoc aufgeweicht. So kann sich auf Dauer kein stabiler Ordnungsrahmen herausbilden. Die eigentlichen Probleme, gerade in Italien, sind hausgemacht und durch EU-Finanzspritzen nicht zu lösen. Insgesamt steht zu befürchten, dass die notwendigen Strukturreformen nicht beschleunigt, sondern weiter verzögert werden – allen Beteuerungen um Konditionalität der Hilfsgelder zum Trotz.
Der sich nun abzeichnende nächste Schritt in eine Transferunion schwächt nicht nur die EU als ganze, sie ist auch nicht im langfristigen Interesse der Länder, die sich auf der Netto-Empfängerseite wähnen. Denn Subventionen machen abhängig. Solange sie sprudeln, versiegen die Kräfte, mit denen man sich selbst wirtschaftlich stärker aufstellen kann. Das ist auf Unternehmensebene nicht anders als bei Staaten. Auch der Länderfinanzausgleich in Deutschland kennt seit Jahrzehnten dieselben Kostgänger. Hilfe zur Selbsthilfe sieht anders aus.“
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