Das Thema Resonanz und die Frage, was Menschen miteinander in Schwingung bringt, beschäftigt uns schon seit Langem. Da wir gerade an einem Buch zu diesem Thema für den Organisationskontext arbeiten, entstand die Frage, warum manche Begegnungen mit Menschen intensiver sind als andere, warum manchmal die Augen leuchten und wiederum in anderen Begegnungen so gar nichts passiert.
Das Prinzip der Resonanz
Resonanz im physikalischen und technischen Sinne ist das „verstärkte Mitschwingen eines schwingfähigen Systems, wenn es einer zeitlich veränderlichen Einwirkung unterliegt.“, so Wikipedia.
Übertragen auf soziale Systeme bedeutet Resonanz im Kontakt mit Anderen zu spüren, wie sich das Gegenüber fühlt – also “mitzuschwingen”. Es ist ein unterschwelliger Prozess, der mit läuft und dazu führt, die Gefühlslage des Anderen im eigenen Körper mit wahrzunehmen. Auch wenn Sie jemanden nicht kennen, haben Sie während der ersten Sekunden des Kennenlernens einen Eindruck von dieser Person.
Wissen Sie noch nichts über seine Geschichte, Herkunft und Beruf, können Sie aus Körperhaltung, Sprache, Mimik und Gestik meist trotzdem schließen, wie es demjenigen geht und in welcher Stimmung er ist.
Laut Thomas Fuchs*, der sich als Philosoph und Psychotherapeut mit dem Thema Wahrnehmung und Körper befasst, ist der Körper das Resonanzorgan unserer Gefühle – ohne Körper sind Gefühle nicht erlebbar. Im Kontakt mit Anderen können Gefühle, wie Anspannung, Freude, Traurigkeit übertragen werden. Wenn wir im Dialog sind, verknüpft sich unser Erleben mit dem des Anderen.
Fuchs beschreibt auch, dass in Studien nachgewiesen wurde, dass das neuronale Resonanzsystem die eigene Motorik mit aufruft, wenn sich im Umfeld jemand bewegt. Wenn das Gegenüber also eine Handbewegung macht und zu einem Gegenstand greift, finden im eigenen Körper Impulse statt und die Bewegungsmöglichkeiten werden aktiviert. Greift im Vergleich dazu ein Roboter diesen Gegenstand, passiert nichts. Resonanz ist also das Phänomen, was dazu führt, dass Menschen miteinander in Schwingung kommen.
„Was miteinander schwingt, verbindet sich miteinander“ (Bernd Schmid)
Resonanz braucht Bezogenheit. Und für Bezogenheit braucht es Begegnung. Beziehungen, die nach dem Resonanzprinzip funktionieren haben meist Tiefe und Leichtigkeit.
Wir sind mitten in der Digitalisierung. Und gleichzeitig werden in der Arbeitswelt Verbindung und Beziehung groß geschrieben. Gemeinsam die Dinge bewegen, Silos aufbrechen, mit vereinter Kraft Projekte angehen, Menschen mitnehmen, um Veränderungen zu gestalten. Verlässliche Netzwerke schaffen gegen Silos und Fronten, offenere Formate für Zusammenarbeit und Begegnung, von Co-Working bis Co-Creation und vieles mehr. Hier geht auch das eine nicht ohne das andere – wo immer mehr in digitalen Welten gearbeitet wird, braucht es Momente des intensiven Miteinanders, der echten Begegnung. Soweit zur Hypothese.
Was hat das mit Führung zu tun?
Resonanzerfahrungen machen Begegnungen intensiv, werden als Flow oder „miteinander schwingen“ erlebt. Sie sind nicht kontrollierbar oder steuerbar, sie stellen sich ein oder eben nicht. Resonanz kann man nicht trainieren.
Was man aber als Führungskraft fördern kann, ist die emotionale Intelligenz. Sie ist der Schlüssel für mehr Resonanz. Es beginnt damit, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, adäquat damit umzugehen und die Gefühlslage von Mitarbeitern zu erkennen, so wie zwischen eigenen Gefühlen und denen der Anderen unterscheiden zu können. Je weniger Angst Sie vor Gefühlen im Berufsalltag haben, desto angemessener werden Sie mit emotionalen Situationen umgehen können. Das macht emotionale Intelligenz aus.
Hartmut Rosa, Soziologe an der Uni Jena beschreibt es so: “Das, was wir meinen, wenn wir davon reden, dass eine Begegnung jemandes Augen zum Leuchten gebracht habe, ist eine empirische Realität und keine esoterische Fantasie. Resonanz wirkt sich auf Hautwiderstand, Atmung, Körperspannung, Herzfrequenz und mehr aus.“**
Wie steht es um Ihre emotionale Intelligenz als Führungskraft?
Mit diesen Fragen können Sie über Ihre eigene emotionale Intelligenz reflektieren.
- Wie viel Ihrer eigenen Emotionen nehmen Sie im Führungsalltag wahr?
- Wann haben Sie in Ihrem Führungsalltag das Gefühl „in Resonanz“ mit Ihrem Umfeld zu sein? Was ist für Sie persönlich dabei förderlich/was hindernd?
- Schaffen Sie es in Situationen, wenn es drauf ankommt, bei sich zu bleiben?
- Wie gelassen bleiben Sie unter Druck? Wie viel Ihrer Emotionen und Belastung geben Sie ungefiltert weiter an Ihr Team?
- Merken Sie, was in den Köpfen (und Herzen) Ihrer Mitarbeiter geschieht? Bekommen Sie im Gespräch mit, wie es Ihrem Gegenüber geht? Nehmen Sie wahr, wer an der Grenze seiner Belastbarkeit ist?
- Wie viel hören Sie zu und geben Raum?
- Nehmen Sie in Gruppensituationen wahr, was zwischenmenschlich geschieht und reagieren angemessen in Ihrer Führungsrolle?
Emotionale Intelligenz ist kein Zauberwerk, wenn Sie Schwierigkeiten damit haben, ist diese leicht in Führungskräfteentwicklungen oder Einzelcoachings trainier- und förderbar. Sie ist die menschliche Grundausstattung dafür, wirksam zu kommunizieren, Konflikte zu erkennen und zu lösen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Zusammenarbeit reibungslos funktioniert. Der Nährboden also dafür, dass Resonanzmomente im Team entstehen – die die Augen zum Leuchten bringen ;).
Sie haben Fragen zu diesem Thema oder würden sich gerne darüber austauschen? Rufen Sie uns an unter 030/269592-00 oder schreiben uns eine Mail an info@avenue.de.
*Thomas Fuchs; die Zitate in diesem Artikel stammen aus seinem Vortrag zum Thema „Embodiment“ am IST, Berliner Küchengespräch.
** Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung; Suhrkamp, Berlin 2016
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