Prof. Jörg Schumacher, Leiter des Fachgebiets Strömungsmechanik der TU Ilmenau, führt das internationale Wissenschaftlerteam aus Strömungsforschern an, das seine Forschungsergebnisse in der jüngsten Ausgabe des Fachjournals Nature Communications veröffentlichte. Den Wissenschaftlern gelang es mit Hilfe umfangreicher Supercomputersimulationen in Garching und Jülich erstmals, ausgedehnte Superstrukturen in einer Vielzahl von unterschiedlichen Systemen darzustellen und zu erforschen. Dabei fielen gigantische Datenmengen an, die mit Hilfe neuartiger Methoden der Mustererkennung und Datenreduktion durchforstet und analysiert wurden.
Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in Nature Communications, das Arbeiten vor allem zu den Naturwissenschaften publiziert, ist für Prof. Schumacher und sein Forscherteam ein großer wissenschaftlicher Erfolg. Beim sogenannten Impact-Faktor, dessen Höhe den Einfluss einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift wiedergibt, lag das Journal in der Kategorie „multidisziplinäre Wissenschaften“ im Jahr 2016 auf Rang 3 von 64 wissenschaftlichen Zeitschriften.
In seinen wissenschaftlichen Arbeiten beantwortet Prof. Schumacher vom Institut für Thermo- und Fluiddynamik der TU Ilmenau erstmals zentrale Fragen nach dem Ursprung von Superstrukturen und ihrer Bedeutung für den turbulenten Transport von Impuls und Wärme: „Das führt letztendlich zu genaueren Vorhersagen des Wetters und des Klimawandels und hilft uns, die variierende Aktivität der Sonne zu verstehen, die wiederum einen entscheidenden Einfluss auf unsere obere Erdatmosphäre in den Polarregionen hat.“
Die Forschungsarbeiten von Prof. Jörg Schumacher und seinem Team basieren auf einer alten physikalischen Erkenntnis: Wärmere leichte Luft steigt auf, kältere schwere Luft sinkt dagegen nach unten. Dieser allen bekannte Sachverhalt beschreibt auf einfache Weise, was hinter thermischen Konvektionsprozessen steckt. Sind die Temperaturunterschiede hinreichend groß, wird die resultierende Luftbewegung turbulent. Turbulente Konvektion findet nicht nur in der Atmosphäre statt, sie vollzieht sich auch in den Weltmeeren, im Flüssigmetallkern tief im Innern der Erde und auch in der Sonne und in anderen ihr verwandten Sternen. All diesen Konvektionsbewegungen liegen die gleichen physikalischen Prozesse zugrunde, doch unterscheiden sich Dichte, Wärmeleitfähigkeit oder Viskosität deutlich voneinander. Strömungsforscher fassen diese Eigenschaften in Kennzahlen zusammen, um zum Beispiel im Falle der Prandtlzahl innere Reibung und Wärmeleitfähigkeit im Fluid zueinander ins Verhältnis zu setzen. Konvektion in der Sonne zeichnet sich zum Beispiel durch extrem niedrige Prandtlzahlen aus, da Wärme im Vergleich zum Impuls viel ineffektiver durch Elektronen aus dem Fusionskern an die Sonnenoberfläche als durch Lichtquanten transportiert werden kann. Zum Vergleich: In Konvektionsströmungen im Ozean ist die entsprechende Prandtlzahl zehn Millionen Mal größer.
Die Forscher der TU Ilmenau um Prof. Jörg Schumacher und aus Los Angeles konnten nun erstmals die Gemeinsamkeiten von turbulenten Konvektionsprozessen in weit ausgedehnten Schichten bei verschiedensten Prandtlzahlen systematisch herausstellen. Wie sie in ihrer Arbeit berichten, beobachteten sie in all diesen Fällen die Entstehung turbulenter Superstrukturen, einer Ordnung in der verwirbelten, chaotischen Turbulenz. In turbulenten Transport- und Mischungsprozessen sind Superstrukturen so etwas wie das tragende Skelett. Den Wissenschaftlern gelang es zudem, die langsame Entwicklung der großskaligen Superstrukturen von kleinskaligen, schnellen Wirbelbewegungen zu trennen. Diese Zerlegung in Grob- und Feinstruktur eröffnet nun vollkommen neuartige Perspektiven bei der besseren Vorhersage von Turbulenzen in Atmosphäre, Ozean und Sonne.
Da nun klar ist, wie die Superstrukturen gefunden und vom Rest isoliert werden können, kann ihre Beschreibung im nächsten Schritt drastisch vereinfacht werden. Zurzeit arbeiten Jörg Schumacher und seine Kollegen deshalb intensiv daran, für die langsame dynamische Entwicklung dieser Konvektionsmuster Methoden des maschinellen Lernens und der Netzwerktheorie zu kombinieren. Damit lösen sie sich von den zu Grunde liegenden mathematischen Modellgleichungen der Konvektion und lassen stattdessen tief gestaffelte neuronale Netze Prognosen zum Umbau der Superstrukturmuster machen. Solche Netze können sehr schnell riesige Simulations-Datenmengen verarbeiten und würden die Vorhersagen zum Transport stark beschleunigen und vereinfachen. Genutzt werden dazu übrigens die gleichen datenhungrigen Computeralgorithmen, die bei der Spracherkennung im Handy und beim autonomen Fahren angewendet werden.
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